Ängste vor der Digitalisierung: Handlungsempfehlungen für Hoteliers

Ein gewisses Maß an Digitalisierung ist für erfolgreiche und zukunftsfähige Hotelbetriebe unverzichtbar geworden, dennoch hinken viele Unternehmen noch immer hinterher. Doch die Hotellerie ist hier kein Einzelfall, auch andere Branchen ringen mit der Transformation. Insgesamt tut sich Deutschland schwer, seinem einstigen Ruf gerecht zu werden und belegt im IMD World Digital Competitiveness Ranking 2023 nur noch Platz 23. 

Doch, wenn auch zu langsam, die digitale Transformation schreitet voran und betrifft nicht nur Unternehmen, Management und Technologien, sondern vor allem auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Für die meisten überwiegen dabei eindeutig die Vorteile: Entlastung des Personals, Effizienzsteigerung, Vereinfachung von Arbeitsabläufen oder Ausgleich des Arbeitskräftemangels, um nur wenige zu nennen. 

Aber längst nicht bei allen Beschäftigten lösen Begriffe wie “Digitalisierung” oder “Digitale Transformation“ Freudensprünge aus. Auch wenn sich eine Mehrheit für die Digitalisierung fit hält, empfinden viele Mitarbeiter zumindest ihre Arbeitgeber als nicht ausreichend gerüstet, wie eine wlw-Studie zeigt. Nicht selten führt in diesem Zusammenhang auch ein suboptimaler Change-Prozess zu überzogenen Erwartungen und letztlich zu Enttäuschungen. Enttäuschung vom Arbeitgeber, von den neu eingesetzten Technologien oder von der Digitalisierung als Gesamtkonzept. Aber auch Assoziationen wie “Prozessoptimierung = Stellenabbau” oder “Benachteiligung Älterer” sind noch lange nicht verschwunden. 

Wäre dies noch nicht genug, bleibt es oftmals nicht bei reinen negativen Assoziationen: Wie einige aktuelle Studien zeigen, ist die Digitalisierung der Arbeitswelt teilweise sogar mit ernsthaften Ängsten und Depressionen unter den Beschäftigten verbunden. Doch woher kommen diese Ängste und welche Möglichkeiten haben Führungskräfte, ihnen vorzubeugen oder entgegenzuwirken?

Unsere ehemalige Werkstudentin Annika Schlotter hat sich kürzlich in ihrer Bachelorarbeit mit genau diesen Themen auseinandergesetzt und diente als Inspiration für diesen Beitrag. Unter dem Titel “Die Angst vor dem Unbekannten: Eine Analyse der Ängste von Mitarbeitern im Zusammenhang mit der digitalen Transformation und Möglichkeiten, wie diesen in Organisationen entgegengewirkt werden kann”, gab sie einen tiefen Einblick in die digitale Transformation in der Hotellerie. Sie kombinierte Experteninterviews mit einer Mitarbeiterbefragung, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Wahrnehmung beider Gruppen herauszuarbeiten und wertvolle Einblicke in die Mitarbeiterperspektive zu gewinnen. Zitate von ihr ergänzen daher im Folgenden unseren Beitrag.

Annika Schlotter

Woher kommen die Ängste in Verbindung mit der Digitalisierung?

Wie die Ergebnisse einer aktuellen repräsentativen bitkom-Studie zeigen, fühlen sich viele Menschen über alle Altersgruppen hinweg von der zunehmenden Digitalisierung überfordert – 41 Prozent sogar häufig. Selbst in der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen sind es noch 33 Prozent, die sich häufig überfordert fühlen. Fast die Hälfte (44 Prozent) befürchtet zudem, mit der technischen Entwicklung nicht Schritt halten zu können. 

Die Ängste und auch die Gründe für mögliche Ängste der Beschäftigten vor der digitalen Transformation sind jedoch vielfältig. Zum einen können evolutionsbedingte Ängste eine Rolle spielen, die generell bei neuen und unbekannten Situationen und Veränderungen auftreten können. Hinzu kommt das disruptive Potenzial von Technologien, die gewohnte Prozesse und Arbeitswelten grundlegend verändern können. Aber auch eine generelle Überforderung bzw. die Angst vor einer potenziellen Überforderung sowie Sorgen vor Wertverlust und Ersetzbarkeit durch Technologien sind nicht selten anzutreffen, so Przystal (2022).

Hinzu kommen laut einer weiteren bitkom-Studie Ängste vor Datenspionage, Hackerangriffen und politischen Abhängigkeiten sowie die Furcht vor Arbeitsplatzverlust und Massenarbeitslosigkeit. Eine Forschungsgruppe um Katharina Pfaffinger von der Ludwig-Maximilians-Universität München nennt in ihrer Studie aus der “Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie” (GIO) unter anderem diese weiteren Angstauslöser:

  • Erwartung einer stressigen Einführungsphase mit spürbarer Mehrbelastung
  • Bedenken, mit den Entwicklungen Schritt halten zu können
  • Mögliche und zu starke Abhängigkeit von Technologien und der Kontrollverlust über die eigene Arbeit und deren Output
  • Fehlende Zeit/Kapazitäten für Einarbeitung, Schulung und Umgang mit den Lösungen
  • Erhöhte Arbeitsgeschwindigkeit durch Schnelligkeit und Effizienz der Technologien
  • Schwierige Vorhersehbarkeit der Zukunft mit weiteren technologischen Möglichkeiten und deren Auswirkungen

Gerade in einem People-Business wie der Hotellerie sind die Auswirkungen der digitalen Transformation jedoch nicht nur für das Unternehmen selbst und seine Mitarbeiter spürbar. Auch der Endkunde, der Gast, ist unmittelbar betroffen. Damit kommen Sorgen hinzu, die sich vom Mitarbeiter selbst lösen und sich auf den Gast bzw. die Interaktion mit ihm beziehen.

In der Auswertung meiner Bachelorarbeit zeigte sich, dass für die Mitarbeiter vor allem die potenziellen Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Interaktion mit den Gästen von Bedeutung sind. Dies wird dadurch unterstrichen, dass 53% der Befragten die Sorge äußern, der persönliche Kontakt zu den Gästen könnte durch die fortschreitende Digitalisierung verloren gehen. Allerdings betonen die Experten, dass die digitale Transformation gerade darauf abzielen kann, den Kundenkontakt zu verbessern.

Hinzu kommt, dass die digitale Transformation in der Hotellerie teilweise auf eine Situation trifft, die für viele ohnehin schon herausfordernd genug ist. Fachkräftemangel, Stress, Burnout, Inflation, stagnierende Löhne, eingeschränkte Wachstumsmöglichkeiten, mangelnde Wertschätzung sind nur einige der aktuellen Themen. Die Angstauslöser, die mit der Digitalisierung verbunden sein können, stehen also nicht allein, sondern werden als zusätzliche Belastung und Angstquellen zu vorhandenen Rahmenbedingungen empfunden und können hier das Fass zum Überlaufen bringen.

Angst vor Digitalisierung: Handlungsempfehlungen zur digitalen Transformation in der Hotellerie

Damit sind einige mögliche Ängste und deren Auslöser benannt, aber was nun? Im Folgenden haben wir einige hilfreiche Handlungsempfehlungen zusammengestellt, die Hotelmanagerinnen, Hotelmanagern und anderen Führungskräften dabei helfen können, die digitale Transformation erfolgreich umzusetzen und den damit verbundenen Ängsten und Unsicherheiten der Mitarbeiter zu begegnen.

Digitalisierung bzw. digitale Transformation darf kein Selbstzweck sein. Machen Sie sich klar, wohin Sie wollen. Was sind die eigentlichen Ziele, warum machen Sie das überhaupt, welche Leitplanken gibt es? Dies sollte dann im nächsten Schritt mit der Unternehmensstrategie verknüpft und in Einklang gebracht werden. 

Nur wenn man ein klares Bild von den Zielen der Digitalisierung im Kontext der Unternehmensstrategie hat, kann man dies auch verständlich und authentisch an die Mitarbeiter kommunizieren. Dabei kann es hilfreich sein, das “Warum” für einzelne Mitarbeiter oder Bereiche herauszuarbeiten.

Achten Sie bei der Zielsetzung auf Transparenz, definieren Sie KPIs und kleinere Teilziele nach dem SMART-Prinzip. Digitalisierung geschieht nicht von heute auf morgen, sondern ist ein kontinuierlicher Prozess. Dies sollte sich auch in Ihren Zielen widerspiegeln, die den Mitarbeitenden als wichtige Orientierung dienen können. Kleinere Ziele schrecken dabei auch weniger ab.

Arbeitskonzepte und Prozesse müssen im Zuge der Transformation neu gedacht werden. Die Digitalisierung darf nicht einfach wie eine Hülle über bestehende Strukturen gestülpt werden. Diese neuen Prozesse müssen für alle klar und verständlich sein und natürlich möglichst Entlastung statt mehr Komplexität und Arbeit schaffen. Wagen Sie einen kleinen Neustart, der digitale Lösungen direkt einbezieht, Prozesse entsprechend neu ausrichtet und eine neue Routine schafft, statt eine zusätzliche Hürde zu bestehenden Abläufen darzustellen. Und auch hier gilt: Überfordern Sie Ihr Team nicht mit zu viel Veränderung auf einmal, sondern gehen Sie lieber Schritt für Schritt vor. 

Gerade bei der Einführung neuer Lösungen ist es wichtig, den Prozess so klar, strukturiert und transparent wie möglich zu gestalten. Versuchen Sie möglichst alle abzuholen und auf mögliche Angstauslöser einzugehen bzw. diese von Anfang an zu entkräften.

Die Beschäftigten sollten frühzeitig in den Transformationsprozess eingebunden werden. Beispielsweise können Projektgruppen gebildet werden, um den Input und die Ideen der Mitarbeiter zu nutzen und sicherzustellen, dass die Umstrukturierungen einen echten Mehrwert bieten und einen bestehenden Bedarf decken. Dabei ist darauf zu achten, dass auch ältere Kolleginnen und Kollegen einbezogen werden, damit sie sich nicht ausgeschlossen fühlen. Für sie kann der Wandel eine besondere Herausforderung darstellen. 

Fragen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig, was sie noch brauchen, um ihre Arbeit besser oder einfacher zu bewältigen. Versuchen Sie, auf diese Wünsche so weit wie möglich einzugehen und zusätzliche Unterstützung anzubieten. Düngen Sie so die Wurzeln der Transformation von unten, anstatt sie von oben mit der Gießkanne zu ertränken.

Communication is key, auch in der digitalen Transformation. Eine offene, transparente und konstante Kommunikation ist einer der wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche digitale Transformation und den Umgang mit Ängsten und Unsicherheiten. Sie sollte kontinuierlich erfolgen und den laufenden Transformationsprozess begleiten. Dabei können folgende Punkte hilfreich sein:

  • Untermauern Sie Aussagen und persönliche Meinungen mit vertrauenswürdigen und aussagekräftigen Daten, Fakten und Studien. So können auch konkrete Ängste besser entkräftet werden, z.B. wird die Digitalisierung nicht zu Massenarbeitslosigkeit führen, sondern schafft langfristig mehr Arbeitsplätze, als sie eliminiert (Future of Jobs Report, 2023)
  • Zeigen Sie konkreten Nutzen auf, wie digitale Lösungen den Arbeitsalltag Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbessern oder vereinfachen können.
  • Heben Sie Erfolgsgeschichten von vergleichbaren Unternehmen und Partnern hervor. Diese sind für Ihre Mitarbeiter näher und nachvollziehbarer als eine theoretische Auflistung von Vorteilen. 
  • Kommunizieren Sie klar und transparent, was sich für wen genau ändert, wann es sich ändert und welche weiteren Konsequenzen sich daraus ergeben.
  • Zeigen Sie Verständnis, Vertrauen und Wertschätzung in Ihrer Kommunikation.
  • Schaffen Sie realistische Perspektiven und Erwartungen, keine Märchen oder zu ferne Zukunftsvisionen.
  • Kehren Sie Zweifel, Ängste oder Unsicherheiten nicht unter den Tisch, sondern geben Sie transparent und proaktiv ehrliche Antworten darauf.

Aus den Interviews meiner Bachelorarbeit geht hervor, dass die Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitern eine zentrale Rolle in der Umsetzung digitaler Transformationsprojekte spielt. Alle befragten Führungskräfte heben die Bedeutung der frühzeitigen und klaren Kommunikation des Mehrwerts solcher Projekte hervor, um die Akzeptanz der Mitarbeiter zu erhöhen. Es ist entscheidend, dass die Mitarbeiter verstehen, wann und warum ein Projekt durchgeführt wird und welche Vorteile es ihnen bringt.

Bieten Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelmäßig Schulungen und Trainings zu digitalen Themen sowie konkreten Technologien und Anwendungen an. So halten Sie den Wissensstand hoch, optimieren den Umgang mit Lösungen, damit die Ergebnisse und vermeiden Überforderung. Dabei sollten die Schulungen und Trainings auf die unterschiedlichen Wissensstände sowie Bedürfnisse, Herausforderungen und Ängste in Ihrem Team eingehen. Selten schafft es ein Format, alle Teammitglieder gleichermaßen abzuholen. 

Vergessen Sie nicht Ihr Führungsteam, das sich darüber hinaus kontinuierlich in der Mitarbeiterführung weiterbilden sollte, da auch diese sich im Zuge der digitalen Transformation stetig verändert und vor neuen Herausforderungen steht. Gerade in der Kommunikation sowie im konkreten Umgang mit Konflikten, Ängsten und Unsicherheiten kann ein gut geschultes Führungsteam viele Hürden umgehen oder erfolgreich meistern, was sich stark auf den Erfolg des Transformationsprozesses auswirken kann.

Achten Sie bei der Auswahl der Systeme auf Einfachheit und Benutzerfreundlichkeit, um Überforderung zu vermeiden und die Akzeptanz zu erhöhen. Klären Sie dabei auch, wie viel Zeit für Schulung und Einarbeitung in das System benötigt wird. Ein guter Support sowie ein persönlicher Ansprechpartner beim Anbieter geben Ihren Mitarbeitern zusätzlich Vertrauen und Sicherheit. Dadurch werden auch Ängste abgebaut. Innerhalb von Hotelketten vereinfachen einheitliche Systemlandschaften die Arbeit und Schulung der Mitarbeiter.

Hören Sie Ihren Mitarbeitern zu. Schaffen Sie möglichst von Beginn an ein Arbeitsumfeld, das von Respekt, Verständnis, Vertrauen und Wertschätzung geprägt ist und in dem niemand Angst haben muss, Ängste, Unsicherheiten und Sorgen zu äußern. Bieten Sie ausreichend Gelegenheit für persönliche Gespräche über diese Themen. Nehmen Sie diese ernst, auch wenn sie Ihnen persönlich unwichtig erscheinen. 

Das allein kann schon zur Beruhigung beitragen und Vertrauen schaffen. Wenn Sie die Ängste Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut kennen, fällt es Ihnen zudem umso leichter, gezielt auf diese einzugehen. So ist es auch leichter, einzelne Skeptiker ins Boot zu holen und langfristig weitere Teammitglieder mitzunehmen.

Wie oben beschrieben, beziehen sich einige Ängste im Zusammenhang mit der Digitalisierung auf den Verlust der Arbeit und der bisherigen Aufgaben und der damit verbundenen Routine sowie der daraus resultierenden Sicherheit und des Selbstvertrauens. Damit verbunden sind auch der Verlust von Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten sowie der potenzielle Verlust von Wert und Sinn in der Arbeit.

Deshalb ist es wichtig, daran zu arbeiten, die individuellen Potenziale der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erkennen, wertzuschätzen und kontinuierlich zu fördern und weiterzuentwickeln. Dabei geht es nicht nur um das Potenzial in Bezug auf digitale Themen, sondern auch um ein ganzheitliches Bild und die Stärken, die sie zukünftig in die Arbeit im Hotel einbringen können. 

Nehmen Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Hand, zeigen Sie ihnen Stärken und Chancen auf. Entdecken Sie gemeinsam Möglichkeiten, Risiken entgegenzuwirken und ihre Fähigkeiten in einem sich verändernden Arbeitsumfeld einzusetzen sowie neue Kompetenzen und Fähigkeiten zu entwickeln. Geben Sie ihnen Aufstiegs- und Entwicklungsperspektiven. Geben Sie ihnen Sicherheit und zeigen Sie ihnen, wo sie auch in einigen Jahren noch in Ihrem Unternehmen stehen können. Auch wenn die digitale Transformation einen großen Einfluss auf die Arbeit des einzelnen Mitarbeiters haben sollte, bietet sich so die Chance, den Sinn ihrer Arbeit neu zu justieren und mit neuem Wert aufzuladen

Es gibt keine allgemeingültige Richtlinie für die digitale Transformation, da die Bedürfnisse und Strukturen je nach Hotel stark variieren können. Diese Handlungsempfehlungen erheben somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sollen den Hotels vor allem als Orientierungshilfe dienen, um ihre Mitarbeiter besser auf die digitale Transformation vorzubereiten und Ängste abzubauen. Gute Transformationsprozesse gehen immer mit einem individuell angepassten Change-Management einher und, wie gezeigt, vor allem mit guter Kommunikation.

Weitere Quellen zu diesem Thema, die auch als Inspiration für diese Handlungsempfehlungen dienten: Archdesk, Bryan Robinson für Forbes, Thomas Juntersen, Studie von Katharina Pfaffinger et al., Studie der Randstad Stiftung, Zukunftsinstitut